Zeugnissprache: Formulierungen im Arbeitszeugnis verstehen

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Das Arbeitszeugnis zeigt, wie zufrieden der bisherige Vorgesetzte mit der Leistung einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters war. Im Bewerbungsprozess hat das Zeugnis einen Einfluss darauf, wie die Bewerberin oder der Bewerber eingeschätzt wird. Auf den ersten Blick klingen Arbeitszeugnisse immer positiv. Denn: Arbeitgeber dürfen im Zeugnis keine negativen Formulierungen verwenden. In der Praxis benutzen viele Vorgesetzte jedoch eine Art Geheimcode, durch den verschleierte Kritik ausgedrückt werden kann. Erfahren Sie hier alles, was Sie über Arbeitszeugnisse wissen sollten, und welche versteckten Botschaften die Formulierungen im Zeugnis enthalten können.

Wer bekommt ein Arbeitszeugnis?

Jeder Arbeitnehmer hat das Recht darauf, nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber ein Zeugnis ausgestellt zu bekommen. In jedem Fall auf ein sogenanntes einfaches Zeugnis, das die Dauer des Arbeitsverhältnisses und die Art der Tätigkeit dokumentiert. Wer länger als sechs Wochen in einem Betrieb beschäftigt war, hat Anspruch auf ein sogenanntes qualifiziertes Zeugnis, das zusätzlich eine Beurteilung der Leistung und des Sozialverhaltens beinhaltet. Wenn im Folgenden von Arbeitszeugnis die Rede ist, ist immer das qualifizierte Arbeitszeugnis des Mitarbeiters gemeint.

Wie ist ein Arbeitszeugnis aufgebaut?

Ein Arbeitszeugnis umfasst folgende Angaben des Arbeitnehmers:

  • Name und Geburtsdatum der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters
  • Bezeichnung der Stelle
  • Eintrittstermin
  • Angaben über den Betrieb
  • Beschreibung der Aufgaben der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters
  • Beurteilung der Leistung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters

Was gehört zur Leistungsbeurteilung?

Die Beurteilung der Leistung ist mit Blick auf künftige Bewerbungen der wichtigste Teil in Ihrem Arbeitszeugnis. Den Einzelbeurteilungen folgt eine abschließende Gesamtbeurteilung.

Der Vorgesetzte bewertet folgende Einzelaspekte der Leistung:

  • Arbeitsweise, zum Beispiel Arbeitsqualität, Zuverlässigkeit, Arbeitstempo
  • Arbeitsbereitschaft, zum Beispiel Motivation, Fleiß, Eigeninitiative, Selbstständigkeit
  • Arbeitsbefähigung, zum Beispiel Fachkenntnisse, Weiterbildungen, Auffassungsgabe, Belastbarkeit
  • Arbeitserfolg, zum Beispiel Arbeitsmenge, Arbeitsergebnisse, Auswirkungen auf den Betriebserfolg
  • Sozialverhalten, gemeint ist das Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen, Kunden, Geschäftspartnern.

Welchen Schulnoten entsprechen welche Formulierungen?

Die Formulierung der Beurteilungen im Arbeitszeugnis kann in Schulnoten übersetzt werden. Den aus dem Schulzeugnis bekannten Noten entsprechen folgende Formulierungen:

  • 1 = sehr gut: stets/immer zu unserer vollsten Zufriedenheit; übertraf jederzeit unsere Erwartungen; in jeder Hinsicht sehr gut
  • 2 = gut: stets zu unserer vollen Zufriedenheit; jederzeit gut
  • 3 = befriedigend: stets zu unserer Zufriedenheit; zu unserer vollen Zufriedenheit
  • 4 = ausreichend: zu unserer Zufriedenheit.
  • 5 = mangelhaft: im Großen und Ganzen/insgesamt zu unserer Zufriedenheit.
  • 6 = ungenügend: hat sich bemüht, seinen Aufgaben gerecht zu werden.

Wie werden versteckte Hinweise im Arbeitszeugnis formuliert?

Bestimmte scheinbar positive Formulierungen geben versteckte Hinweise auf eher negative Eindrücke, die der Vorgesetzte von der Leistung des Mitarbeiters gewonnen hat. Hellhörig werden sollten Sie bei Formulierungen wie diesen:

  • „Frau F. hatte die Gelegenheit, das notwendige Fachwissen zu erwerben.“
  • Soll andeuten: Frau F. hatte Weiterbildungsangebote, diese aber wenig oder gar nicht genutzt.
  • „Herr Z. verfügt über Fachwissen und zeigt ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein.“
    Soll andeuten: Herr Z. versucht, sein nicht allzu großes Fachwissen durch ein überhebliches Auftreten zu überspielen.
  • „Herr S. delegierte erfolgreich Aufgaben.“
    Soll andeuten: Herr S. schob unliebsame Aufgaben anderen zu.
  • „Im Umgang mit Kollegen, Vorgesetzten und Kunden zeigte Frau K. stets eine erfrischende Offenheit.“
    Soll andeuten: Frau K. fiel durch ihre vorlaute Art ungünstig auf.
  • „Frau B. setzte sich innerhalb und außerhalb des Unternehmens für die Interessen der Kollegen ein.“
    Soll andeuten: Hinter diesem Wortlaut verbirgt sich der Hinweis auf Tätigkeiten im Betriebsrat oder in der Gewerkschaft.
  • „Frau G. zeigte großes Einfühlungsvermögen in die Belange der Belegschaft.“
    Soll andeuten: Frau G. flirtete intensiv am Arbeitsplatz.

Welche Formulierungen sind im Arbeitszeugnis verboten?

Grundsätzlich gilt: Eindeutig negative Formulierungen dürfen nicht vorkommen. In der Praxis haben sich jedoch Codes entwickelt, in denen negative Bewertungen verborgen sind. Vorgesetzte dürfen den Austrittsgrund nur mit Einverständnis des ausscheidenden Mitarbeiters im Zeugnis angeben.

Nicht erwähnt werden dürfen im Arbeitszeugnis:

  • Gehalt
  • Abmahnungen
  • Aktivitäten im Betriebsrat
  • Ehrenamtliche Tätigkeiten
  • Behinderungen
  • Arbeitsausfälle wegen Krankheit
  • Schwangerschaft
  • Elternzeiten
  • Nebentätigkeiten
  • Straftaten
  • Wettbewerbsverbote

Was bedeutet die Schlussformel im Arbeitszeugnis?

Normalerweise endet ein Arbeitszeugnis mit einer Schlussformel. Eine vollständige Schlussformel hat vier Bestandteile:

  • Beendigungsgrund
  • Bedauern über die Trennung
  • Dank für die Zusammenarbeit
  • Zukunftswünsche

Auf die Schlussformel im Zeugnis besteht kein rechtlicher Anspruch. Wird sie vom Arbeitgeber weggelassen, gilt dies im Personalbereich als Hinweis für erhebliche Unstimmigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Wirklich positiv ist nur eine vollständige Schlussformel. Eine „sehr gute“ Schlussformel für den Arbeitnehmer klingt etwa so:

„Frau K. verlässt uns auf eigenen Wunsch. Wir bedauern es sehr, diese kompetente und geschätzte Mitarbeiterin zu verlieren. Wir bedanken uns für die stets hervorragende Zusammenarbeit und wünschen ihr weiterhin viel Erfolg und persönlich alles erdenklich Gute.“

Je mehr der vier Bestandteile wegfallen, desto negativer ist der Eindruck. Fehlt zum Beispiel das Bedauern und der Dank, rangiert die Schlussformel im Notenbereich 4 bis 5.

Fazit

Die Chancen auf eine erfolgreiche Bewerbung steigen, wenn das Arbeitszeugnis nicht nur vordergründig gut klingt, sondern auch keine unterschwelligen Negativaussagen über den Arbeitnehmer beinhaltet. Denn Personaler kennen sie natürlich: die Formulierungen, die versteckte Hinweise auf Probleme im Arbeitsverhältnis geben.