Werden die Arbeitstage bald länger?
Wie lange werden wir künftig arbeiten? Diese Frage wird derzeit so kontrovers diskutiert wie lange nicht. Foto: Adobestock
In der Bundespolitik, aber auch in Sachsen, wird derzeit über die Einführung einer Wochenarbeitszeit diskutiert. Wissenschaftler warnen vor den negativen Folgen, denn bereits heute sind Überstunden ein Problem.
Von Annett Kschieschan
Wie lange sollen – und wie lange wollen wir arbeiten? Über diese Frage – bezogen auf die Tages- beziehungsweise Wochenarbeitszeit – wird derzeit so intensiv diskutiert wie lange nicht mehr. Bundeskanzler Friedrich Merz selbst fordert, dass die Deutschen „wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten“. Doch was bedeutet das konkret? Schon jetzt gehören Überstunden für viele Arbeitnehmer zum Alltag. Einer aktuellen Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) nach arbeiten 44 Prozent der Befragten regelmäßig länger als vertraglich vereinbart. Laut Statista wurden 2024 in Deutschland rund 552 Millionen bezahlte und etwa 638 Millionen unbezahlte Überstunden geleistet. Würde die nun diskutierte Wochenarbeitszeit, die damit auch Tagesarbeitszeiten von weit mehr als acht Stunden möglichen machen würde, das Problem weiter verschärfen?
Amélie Sutterer-Kipping und Laurens Brandt vom Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht (HSI) befürchten genau das. „Die von der Bundesregierung angeführten Ziele – wirtschaftliche Impulse, Interessen von Beschäftigten an Flexibilität und Erhalt des Arbeitsvolumens trotz demografischen Wandels“ – ließen sich so nicht erreichen, warnen Sutterer-Kipping und Brandt in einer Analyse der Böckler-Stiftung. Sie verweisen darauf, dass die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland mit rund 46 Millionen Personen so hoch wie nie zuvor war.
Problem für die Vereinbarkeit von Job und Familie
Das liegt vor allem auch daran, dass immer mehr Frauen erwerbstätig sind. Gerade für sie würde die Einführung einer Wochenarbeitszeit mit längeren Arbeitstagen eine große Herausforderung in Sachen Vereinbarkeit von Job und Familie bedeuten. „Die Vorhersehbarkeit und Planbarkeit von Arbeitszeiten stellen wichtige Schlüsselfaktoren für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie dar. Es droht der Effekt einer weiteren Verringerung der Erwerbsarbeit gerade bei Frauen“, so die Wissenschaftler.
Aber auch Menschen, die gesundheitliche Probleme haben, könnten demnach durch die Änderung unter Druck geraten, was im Ernstfall zum früheren Ausstieg aus dem Beruf führen und damit das Problem des Fachkräftemangels weiter verschärfen könnte.
Die Forscher verweisen zudem darauf, dass Unternehmen bereits jetzt die Möglichkeit haben, die Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden täglich auszuweiten, sofern die Mehrarbeit zeitnah ausgeglichen wird. Eine weitere Aufweichung der gesetzlichen Regelungen sei deshalb eher kontraproduktiv. Arbeitsmedizinisch sei längst erwiesen, so Sutterer-Kipping und Brandt, dass Arbeitszeiten von mehr als acht Stunden die Gesundheit gefährden. Langfristig komme es häufiger zu stressbedingten Erkrankungen – physisch wie psychisch. Mehr Leistungsfähigkeit lasse sich damit nicht erreichen.