Wenn Experten zu Lehrern werden

Praxisnahes Lernen hilft bei der Berufsorientierung. In Chemnitz wurde dafür ein Pilotprojekt gestartet. Foto: Adobestock

Wie begeistert man den Nachwuchs für einen Berufsweg in der Region? In Chemnitz zeigt ein Pilotprojekt, was möglich ist, wenn Verwaltung und Wirtschaft an einem Strang ziehen.

Ohne Theorie funktioniert es nicht. Genauso wenig wie ohne die praktische Möglichkeit, das erlernte Wissen anzuwenden. Wenn es um die Nachwuchssuche für sächsische Unternehmen und damit um Strategien zum Ausgleich des Fachkräftemangels geht, ist das durchaus ein Problem. Viele junge Leute haben – gerade mit Blick auf die Fülle des Angebotes an Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten – keine Ahnung, was sie denn nun tatsächlich einmal werden wollen. Mit viel Pech mündet die Orientierungslosigkeit sogar die Unfähigkeit, sich überhaupt für einen beruflichen Weg zu entscheiden. Im Freistaat gibt es viele Initiativen, die hier gegensteuern und Jugendliche da abholen wollen, wo sie stehen – manchmal eben auch ganz ohne Plan. Ein Pilotprojekt, das hier ansetzt, läuft seit 2023 in Sachsen, konkret in Chemnitz. „Wirtschaft trifft Schule“ will, so die Intention der Stadt, „im Sinne der frühzeitigen Fachkräftesicherung Kürzungen der Stundentafeln an Oberschulen und Gymnasien durch Angebote aus Wirtschaft und Wissenschaft ausgleichen“. Damit nimmt man ein wachsendes Problem in den Fokus: Den Unterrichtsausfall im großen Stil. In die entstehenden Lücken springen Unternehmen und Hochschulen, die ihrerseits praxisnah Inhalte vermitteln.

Sechs Unternehmen und vier Oberschulen sowie ein Gymnasium sind Teil des Pilotprojektes. Und die ersten Ergebnisse sind durchaus vielversprechend. „Aus dem Feedback, das uns die Schüler der Klassenstufen 8 und 9 liefern, ist es für uns wichtig, an diesem Projekt festzuhalten. Die Schülerinnen und Schüler sind voll des Lobes und sehr motiviert. Die Mitarbeiter tragen dazu bei, dass es keine weiteren Kürzungen in diesem Kernfach geben wird“, sagt etwa Kerstin Neubert, amtierende Schulleiterin der Oberschule „Am Flughafen“ in Chemnitz.

Das Beispiel kann Schule machen

In den Unternehmen sieht man die Teilnahme als Chance im mehrfachen Sinn. Die Beteiligung von Firmen an der Kompensation von Unterrichtsausfall in Schulen sei „nicht nur ein Akt der sozialen Verantwortung, sondern auch ein Investment in die Bildung und Zukunft unserer Region“, so Mirko Löffler, Hauptabteilungsleiter bei der Siemens AG, Werk für Kombinationstechnik Chemnitz, das ebenfalls Teil des Pilotprojektes ist. Zwei Mitarbeiter des Unternehmens sind kurzerhand zu „Lehrern auf Zeit“ geworden. „Diese Partnerschaft ist eine Win-win-Situation. Den Schulen wird die Möglichkeit gegeben, sich regional zu vernetzen und Kindern die Perspektiven aufzuzeigen, die unsere Region bietet. Nahezu alle weiterführenden Schulen brauchen diese Unterstützung und nehmen das Angebot von Firmen mit großem Interesse an“, so Mirko Löffler weiter.

Eine Idee, die Schule machen kann? Die Beteiligten sind optimistisch und zeigen durch ihr eigenes Engagement, dass es sich lohnen kann, auch ganz große Probleme wie den Fachkräftemangel manchmal in kleinen, regionalen Teilschritten anzugehen.

Nach dem erfolgreichen Start der Pilotphase des Chemnitzer Bildungsprojekts sollen weitere Unternehmen und Schulen eingebunden werden.