Urlaub an, Diensthandy aus!

Wenn selbst bei der schönsten Urlaubsaussicht der Dienst-Laptop eingeschaltet ist, wird es nichts mit der Erholung.

Ausschlafen, ausspannen, genießen – monatelang freuen sich die meisten Menschen auf den Urlaub. Doch Untersuchungen zeigen auch: Vielen Arbeitnehmer*innen fällt es schwer, den Job mal Job sein zu lassen.

Helge zählt die Tage – noch genau 16 sind es, dann geht es mit dem Camper nach Holland. Endlich mal raus, ausschlafen, faul sein, ein bisschen schwimmen, ein bisschen Sightseeing, aber vor allem: Endlich mal nichts tun! Helge ahnt, dass ihm das bei aller Vorfreude gar nicht so leichtfallen wird. Der 40-Jährige ist Projektleiter bei einem IT-Unternehmen in Mittelsachsen. Normalerweise hat er das Diensthandy immer am Mann, arbeitet im Büro, im Homeoffice, auch mal im Zug, wenn es sein muss. „Always on“ – immer angeknipst – das gilt nicht nur für Helge. Jeder fünfte Arbeitnehmer gab bei einer von dem internationalen Software- und Projektmanagementanbieter Wrike veröffentlichten Studie an, auch im Urlaub jeden Tag wenigstens ein paar Minuten zu arbeiten. Meistens werden die dienstlichen Mails gecheckt. Mancher Mitarbeiter plant aber auch vom Ferienort aus schon das nächste Projekt oder kümmert sich um die Dokumentation der letzten Aufträge. Schließlich, so die Begründung, ist jetzt endlich mal Zeit dafür. 24 Prozent der Befragten betonten zudem, dass sie nicht die Absicht hätten, im Urlaub zu arbeiten, aber Anrufe ihres Vorgesetzten selbstverständlich auch auf Hawaii oder in den Masuren annehmen würden.

Hinter beiden Zahlen stecken durchaus nachvollziehbare Bedürfnisse. Vor allem in kreativen Berufen fehlt im Alltagsstress oft die Zeit, mit Muße neue Ideen zu entwickeln. Im Urlaub – ohne Termindruck, dafür bestenfalls ausgeschlafen und mit den Füßen im Meer – fließt auch die Inspiration wieder. Und einen Anruf des Chefs oder der Chefin unbeantwortet zu lassen, das fällt vor allem sehr engagierten und verantwortungsbewussten Mitarbeitern schwer. Es könnte ja wirklich, wirklich wichtig sein.

Das Problem dabei: So wird es nichts mit der Erholung. Denn bis sich Körper und Geist an die freie Zeit gewöhnt haben, dauert es bis zu zwei Wochen. Dann sind zwei Drittel des klassischen Jahresurlaubs schon um. Wer dann noch täglich ins Dienst-Postfach schaut, hat im Zweifel nicht mehr viel von der langersehnten Ferienzeit.

Gute Planung vor dem Urlaub

Aber wie schafft man es, den Job wirklich mal Job sein zu lassen? Psychologen und Arbeitsexperten räumen ein, dass das heute oft gar nicht so einfach ist. Durch die Digitalisierung sind wir es gewöhnt, online schnell an jede Information zu kommen. Messenger-Dienste und Social-Media-Kanäle füttern ihre Nutzer permanent mit News – seien sie noch so unwichtig. Das Gehirn ist trainiert darauf, auf jedes „Pling“ am Smartphone zu reagieren. Das ist längst nicht immer smart, aber im gewissen Rahmen auch Teil der Normalität.

Wer im Urlaub eine echte Auszeit erleben will, kann sich vornehmen, mal offline zu bleiben. „Digital Detox“ wird das in Anlehnung an entsprechende Entschlackungsprogramme für den Körper genannt. Es ist hier wie dort in erster Linie ein griffiger Slogan, der auf die Selbstoptimierung einzahlen soll. Die wiederum sollte im Urlaub mal Pause machen.

Dazu beitragen können übrigens auch Unternehmen. Oft ist es nämlich die unzureichende Planung, die die freie Zeit mit Anrufen und Mails aus dem Büro torpediert. So sollte die grundsätzliche Urlaubsplanung in den einzelnen Abteilungen möglichst früh im Jahr verbindlich abgestimmt werden. So fällt auch schnell auf, wenn sich die Reisepläne der Teammitglieder so stark überschneiden, dass im Hochsommer nicht mehr genügend Kolleginnen und Kollegen im Dienst sind. Ist die Vertretung schlecht vorbereitet oder schlichtweg nicht zu schaffen, sind An- und Hilferufe ins Feriendomizil kaum auszuschließen.

Die Rückkehr vorbereiten

Aber auch die Beschäftigten selbst sollten vorab sicherstellen, dass alle relevanten Informationen, Termine und Sachstände an die jeweiligen Urlaubsvertretungen übermittelt werden. Und das möglichst nicht am letzten Arbeitstag, sonst ist das Stresslevel beim Antritt der Ferienreise so hoch, dass Erholung in weite Ferne rückt. Gute Planung vor dem Urlaub erleichtert darüber hinaus auch die Rückkehr an den Arbeitsplatz. Mehr als 40 Prozent der Befragten in der Wrike-Studie gaben an, dass sie besonders die ersten Tage nach dem Urlaub als sehr anstrengend erleben. Der Grund liegt auf der Hand: Prasseln alle ungelesenen Mails, Nachrichten und Updates der zurückliegenden Wochen auf einmal auf den Rückkehrer ein, schlägt die Entspannung schnell in Stress um.

Experten raten längst dazu, in Abwesenheitsnotizen nicht zu versprechen, dass alle Nachrichten nach dem Urlaub gelesen und gegebenenfalls bearbeitet werden. Besser: Ansprechpartner benennen, die sich während der eigenen Abwesenheit um alle dienstlichen Fragen kümmern, und sich nach Dienstantritt von eben diesen auf den neuesten Stand bringen lassen.

Helge versucht das in diesem Sommer übrigens zum ersten Mal. „Ich bin gespannt“, sagt der Projektleiter, und hofft, dass ihm das Handyklingeln im Campingurlaub nicht tatsächlich fehlen wird.

Von Annett Kschieschan