Noch Luft nach oben bei der Inklusion

Inklusion am Arbeitsplatz ist längst nicht so schwierig umzusetzen, wie manche Betriebe befürchten. Integrationsämter und die Arbeitsagentur unterstützen bei Bedarf. Foto: Adobestock

Inklusion – Viele Menschen mit Behinderungen sind gut ausgebildet und qualifiziert. Auf dem Arbeitsmarkt haben sie es trotzdem oft schwer. Das muss sich ändern – nicht nur aufgrund des Fachkräftemangels, mahnen Experten.

Gerade einmal 39 Prozent der deutschen Unternehmen erfüllen die Quote zur Einstellung behinderter Menschen vollständig. Das sei der schlechteste Wert seit zehn Jahren konstatierte die „Aktion Mensch“ vor wenigen Tagen im Rahmen des aktuellen „Inklusionsbarometers Arbeit“. Viele Firmen zahlen demnach lieber den entsprechenden Ausgleichsbeitrag. Da hilft auch der Tag der Inklusion, der jährlich am 3. Dezember begangen wird, nicht viel weiter. Es sei denn, er wirft ein Schlaglicht auf die gegenwärtige Situation und damit auch auf Handlungsoptionen. Genau das soll nun passieren, denn neben der Aktion Mensch haben auch die Agentur für Arbeit und die Gewerkschaften Zahlen und Einschätzungen zum Thema vorlegt.

Für Sachsen zeigt sich dabei ein vorsichtig optimistisches Bild. Immer mehr Unternehmen im Freistaat hätten die Potenziale von Menschen mit Behinderungen erkannt, lautet die Einschätzung der hiesigen Arbeitsagentur. So beschäftigten drei Viertel aller dazu verpflichteten Betriebe mehr als 46.000 schwerbehinderte oder gleichgestellte Menschen. Grundsätzlich gilt: Firmen mit zwanzig und mehr Beschäftigten müssen mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Menschen besetzen. Diese sogenannte Soll-Quote wird aber auch in Sachsen noch nicht von allen sächsischen Unternehmen der entsprechenden Größe erreicht. „Von den im Jahr 2021 insgesamt 8.778 Arbeitgebern, die der Beschäftigungspflicht unterliegen, haben 38,7 Prozent ihre Beschäftigungspflicht erfüllt“, so die Arbeitsagentur. Das entspreche ziemlich genau dem Bundesdurchschnitt. Allerdings hatten reichlich 2.000 Unternehmen hierzulande die gesetzliche Vorgabe quasi übererfüllt, indem sie mehr Behinderte eingestellt haben als gefordert. Etwas mehr als 3.000 Firmen hatten zwar Menschen mit Behinderungen ins Team geholt, blieben aber unter der vorgeschriebenen Quote.

Beratung und finanzielle Zuschüsse

Der aktuelle Durchschnittswert von 4.1 Prozent sei jedenfalls eindeutig zu niedrig, kritisiert Sachsens DGB-Vorsitzender Markus Schlimbach. Und auch bei der Arbeitsagentur weiß man: Hier ist noch Luft nach oben. Was offenbar noch nicht in jedem Betrieb ausreichend bekannt ist: Wer behinderte Mitarbeiter einstellen möchte, kann sich Hilfe holen, etwa beim Integrationsamt im Kommunalen Sozialverband Sachsen und ganz konkret auch bei der Arbeitsagentur, die sowohl technische Berater – etwa für die Gestaltung behindertengerechter Arbeitsplätze – als auch Rehabilitations-Spezialisten beschäftigt. Eingliederungs- beziehungsweise Ausbildungszuschüssen erleichtern die Inklusion auch in finanzieller Hinsicht. „Wir unterstützen finanziell und beratend, damit Inklusion gut gelingt und für jeden nicht anders, sondern ganz normal ist“, betonte Klaus-Peter Hansen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit. Die Integration schwerbehinderter Männer und Frauen eröffne viele Möglichkeiten, ganz besonders in Zeiten des Fachkräftemangels. „Mit geeigneten Arbeitshilfen, die Arbeitsagenturen und Integrationsämter finanzieren, können Menschen mit Behinderungen volle Leistung bringen – nicht zuletzt dank des technischen Fortschritts und der Digitalisierung“, so Hansen, der zugibt, dass „das Potenzial von Menschen mit Behinderung noch längst nicht in allen Teilen der Wirtschaft gut genug erkannt und genutzt“ wird.

Wichtig für die Zukunftsfähigkeit

Von aktuell 130.000 arbeitslos gemeldeten Sachsen sind 8.400 schwerbehindert – ein Anteil von 6,5 Prozent. Mehr als zwei Drittel von ihnen haben eine abgeschlossene Berufsausbildung oder einen akademischen Abschluss. Damit sind sie nach Angaben der Arbeitsagentur im Durchschnitt sogar höher qualifiziert als nicht-behinderte Arbeitslose. „Vorurteile gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen können wir uns mit dem Blick auf die hohen Fachkräftebedarfe nicht mehr leisten“, so Klaus-Peter Hansen. Es dürfe nicht darum gehen, wer etwas nicht kann, sondern wer worin besonders gut ist. Unternehmen, die das bereits verinnerlicht haben, hätten demnach einen klaren Vorteil, wenn es um Rekrutierung und damit um Zukunftsfähigkeit geht. Davon gibt es in Sachsen viele. Auch in der DDV Mediengruppe sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderungen beschäftigt: „Das sind nicht nur qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch von allen geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Insgesamt ein Gewinn für das Unternehmen“, sagt Rico Nonnewitz, Leiter Business Solutions bei der DDV Sachsen GmbH, und unter anderem verantwortlich für sz-jobs.de, dem Jobportal von Sächsischer Zeitung und Sächsische.de. „Durch die Arbeit für unsere Kunden, für sächsische Unternehmen, aber auch aus eigener Erfahrung, wissen wir, wie herausfordernd es sein kann, geeignete Fachkräfte zu gewinnen. Menschen mit Handicap sind da ein Fachkräftepotenzial, das noch zu wenig genutzt wird.“

Die wachsende Bedeutung von Inklusion, das legen die aktuellen Initiativen nahe, ist inzwischen bekannt. Bei der Umsetzung will man in Sachsen nun gemeinsam neu Schwung holen, etwa über die „Allianz Arbeit + Behinderung“ und das Arbeitsmarktprogramm „Wir machen das! – Menschen mit Behinderungen in Ausbildung und Beschäftigung“. Damit bei der nächsten Bilanz in Sachen Inklusion am Arbeitsplatz deutlich weniger Luft nach oben bleibt.