Kein Azubi darf verloren gehen

Klassische technische Berufe stehen bei jungen Leuten hoch im Kurs. Aber auch IT- und E-Commerce-Jobs sind zunehmend gefragt.

Die Zahl der Neuverträge in der dualen Ausbildung sinkt. In Sachsen will man mit einem Unterstützungsangebot gegensteuern.

Die Zahl klingt durchaus beeindruckend. 466.200 neue Verträge wurden im vergangenen Jahr deutschlandweit in der dualen Berufsausbildung abgeschlossen. Das Problem daran: Das sind rund neun Prozent weniger als noch 2019. Schon seit über zehn Jahren konstatiert das Statistische Bundesamt einen Rückgang in der Zahl der dualen Lehrverträge. Wer nun auf die demografische Entwicklung verweist und darauf, dass eben auch viel weniger junge Leute im Azubi-Alter in Deutschland leben, hat nur teilweise recht. Während die Zahl der Auszubildenden seit 2011 um 14 Prozent gesunken ist, schrumpfte Zahl der Menschen im typischen Ausbildungsalter zwischen 15 und 24 Jahren nur um sechs Prozent. Viele junge Leute setzen eher auf ein Studium, wenn es um die Karriereplanung geht. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren im letzten Wintersemester 2 947 500 Studentinnen und Studenten an einer Hochschule in Deutschland eingeschrieben. 2007 waren es noch rund eine Million weniger.

Lehr-Abbrüche vermeiden

Branchenverbände sehen diese Entwicklung seit Jahren mit Skepsis. Vor allem der dualen Ausbildung, die bislang nicht von ungefähr als Erfolgsmodell in der Berufsvorbereitung gilt, setzt die aktuelle Entwicklung zu. In Sachsen will man hier nun auch politisch den Hebel ansetzen. Das Wirtschaftsministerium hat dafür den Förderaufruf „Individualisierte Unterstützung während der überbetrieblichen Ausbildung“ gestartet. Das Ziel: junge Leute beim Weg durch die duale Lehre individuell zu unterstützen. „Über- oder Unterforderung“ dürfe nicht länger zum Abbruch der dualen Ausbildung führen, so Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig und verweist darauf, dass die Verfügbarkeit gut qualifizierter Fach- und Arbeitskräfte eine der größten Herausforderungen der sächsischen Wirtschaft sei. Kurz gesagt: Ausbildungsabbrüche will man sich im Freistaat nicht mehr leisten und ist bereit, sich das etwas kosten zu lassen. Gefördert werden sollen branchenbezogene Projekte für betriebliche Ausbildungsverhältnisse in nach Berufsbildungsgesetz oder Handwerksordnung anerkannten Ausbildungsberufen. Bildungsträger können passende Projektanträge bis zum 30. September einreichen. Im Freistaat gibt es aktuell mehr als 50 überbetriebliche Ausbildungseinrichtungen. Junge Leute sollen dort je nach ihren individuellen Bedürfnissen unterstützt und gefördert werden.

„Die duale Ausbildung ist ein zur Hochschule gleichwertiger Bildungsweg. Dem Fachkräftebedarf begegnet die Wirtschaft, indem sie an der dualen Ausbildung zur Sicherung des eigenen Nachwuchses festhält. Dabei möchten wir zum einen junge Auszubildende, die Unterstützung bedürfen, auf dem Weg zum erfolgreichen Abschluss nicht verlieren. Zum anderen wollen wir auch Abbrüche wegen Unterforderung vermeiden und leistungsstarke Auszubildende langfristig an die Betriebe binden“, so Martin Dulig weiter.

Der Anspruch ist hoch: Kein Auszubildender dürfe verloren gehen. Im Gegenteil – die überbetrieblichen Ausbildungsstrukturen sollen weiterentwickelt werden. So plant das Wirtschaftsministerium, bis 2027 rund 63 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Plus sowie aus eigenen Haushaltsmitteln einzusetzen. Auf die sogenannte Übergangsregion – gemeint sind Dresden und Chemnitz – entfallen davon rund 54 Millionen Euro. Der kleinere Teil der Summe steht für die als stärker entwickelt geltende Region Leipzig bereit. Damit sollen „die Qualität der beruflichen Bildungssysteme erhöht und die vorhandenen beruflichen Bildungspotenziale jeder und jedes Einzelnen besser genutzt“ werden. Sachsen verweist in diesen Zusammenhang auf die Baubranche, für die ein ähnlicher Ansatz bereits in der letzten Förderperiode erfolgreich umgesetzt werden konnte.

Noch immer ein Erfolgsmodell

Welche Branchen für junge Leute heute besonders attraktiv sind, haben die Statistiker derweil natürlich auch ermittelt. Wenig überraschend sind Ausbildungen in sogenannten Bürojobs ebenso gefragt wie Lehren im Kfz-Bereich. Einen deutlichen Zuwachs an Interessenten erleben die IT-Branche und die Berufsbilder im E-Commerce.

Das Prinzip der dualen Ausbildung mit seinen betrieblichen Einsätzen und den Berufsschultagen wird dabei von Lehrlingen und Ausbildern gleichermaßen geschätzt. Den sinkenden Azubi-Zahlen zum Trotz gilt es nach wie vor ein deutscher Exportschlager im Bildungsbereich. Nicht zuletzt, weil Branchenriesen wie AEG, Bosch oder Miele gute Erfahrungen damit gemacht haben, stand das duale Modell inzwischen für viele ähnliche Ausbildungsinitiativen in der ganzen Welt Pate.

Von Annett Kschieschan