Der Nachwuchs nach der Lehre sicher im Sattel?

Wer sich für eine Ausbildung im medizinischen Bereich entschied, hatte auch schon in den Nuller-Jahren gute berufliche Perspektiven.

Wenn es um Fachkräfte geht, wird gegenwärtig oft über den Zuzug von Menschen aus anderen Regionen oder Ländern diskutiert. Aber wie schlägt sich Sachsens eigener Nachwuchs nach der Ausbildung?

Linda ist medizinische Fachangestellte. Die Ausbildung hat die junge Frau, die aus der Lausitz stammt, in Dresden absolviert. Elf Jahre ist das her. Inzwischen arbeitet sie in einer endokrinologischen Fachpraxis in Leipzig, wo sie mit ihrem Partner und der kleinen Tochter lebt. „Ich war ziemlich lange unsicher, welchen Beruf ich lernen wollte. Der medizinische Bereich hat sich irgendwann herauskristallisiert, aber so hundertprozentig überzeugt war ich nicht“, erinnert sich die junge Frau. Das hat sich im Verlauf der Ausbildung geändert. „Ich habe erst da verstanden, wie breitgefächert die Arbeit sein kann, welche Möglichkeiten man hat. Ich bin heute echt froh über meinen Beruf“, erzählt Linda. Arbeitslos war sie nie, nur zur Geburt ihres Kindes legte sie die Elternzeitpause ein. Damit gehört die Endzwanzigerin zu knapp 60 Prozent von ehemaligen sächsischen Azubis, die nach der Lehre sofort in den Job eingestiegen und auch danach in einem stabilen, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis geblieben sind. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IBA) hat unter anderem diesen Umstand in einer Studie zur Fachkräftesicherung untersucht. Im Fokus stand dabei die Frage, wie viele junge Erwachsene nach einer Ausbildung sicher Fuß im Berufsleben fassen.

Zwei Azubi-Jahrgänge im Fokus

Das ist gerade in Sachsen ein wichtiges Thema, leidet das Land doch besonders unter dem demografischen Wandel. Nach der Wende verlor der Freistaat rund 1,9 Millionen Menschen durch Abwanderung. Die Geburtenrate sank auf 0,8 Kinder pro Frau. Und auch wenn mittlerweile wieder mehr Menschen nach Sachsen ziehen und auch die Zahl der sogenannten Einpendler, also der Arbeitnehmer, die aus einem anderen Bundesland nach Sachsen zur Arbeit fahren, gestiegen ist, schrumpft die Bevölkerungszahl nach wie vor.

Umso wichtiger ist es, Nachwuchs auch nach dem Schulabschluss in der Region zu halten. Gute und sichere berufliche Perspektiven sind dafür Voraussetzung. Das ist heute angesichts zahlreicher freier Lehrstellen in nahezu allen Branchen keine allzu große Hürde mehr. Für die Studie, bei der Erstauszubildende der Ausbildungsjahrgänge 2000 und 2010 in Sachsen, untersucht wurden, zeigte sich hier oft noch ein anderes Bild. Denn um die Jahrtausendwende und auch noch zehn Jahre später waren Lehrstellen – erst recht im Wunschberuf – Mangelware, was die Abwanderung aus Sachsen verstärkte.

Über jeweils zehn Jahren haben die Forscher des IBA die Erwerbsbiografien von 50.000 jungen Sächsinnen und Sachsen analysiert. Ein Ergebnis: „Individuelle Merkmale wie das Geschlecht, das Alter, die Staatsangehörigkeit und der gewählte Beruf, aber auch Merkmale des Ausbildungsbetriebes sowie die Ausbildungsregion beeinflussen den Erwerbsverlauf in den betrachteten zehn Jahren nach Ausbildungsbeginn erheblich“.

Bei 13,9 Prozent kam es nach der Ausbildung zu einer Unterbrechung, zum Beispiel, weil es keine passende Arbeitsstelle gab und der Lehrbetrieb keine Chance zur Übernahme sah. Doch die Arbeitslosigkeit blieb oft eine eher kurze Episode. Zehn Jahre nach Beginn der Ausbildung waren 80 Prozent der untersuchten Personen in einem Beschäftigungsverhältnis. 10,9 Prozent hatten auch nach zehn Jahren keinen festen Job oder absolvierten gerade eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme. Wichtigster Grund dafür ist der Ausbruch der Ausbildung.

Ausbildungsmarkt im Wandel

Nicht ganz überraschend standen die beruflichen Chancen der jungen Erwachsenen, die ihre Ausbildung 2010 begannen, deutlich besser als die der 2000er-Azubis. Zu dieser Zeit gab es bereits wieder mehr Unternehmen, die ausbildeten und auch gezielt um Nachwuchs warben. So wie Linda haben viele junge Leute, die seinerzeit im medizinischen Bereich gestartet sind, schnell gute berufliche Perspektiven gefunden.

„Für einen stabilen Erwerbsverlauf gibt es mehrere begünstigende Faktoren, unter anderem die Arbeitsmarktsituation, persönliche Merkmale, die Wahl des Ausbildungsberufs und Merkmale des Ausbildungsbetriebs“, heißt es unter anderem in der Auswertung der Studie.

Sie zeigt auch, wie sehr sich die Ausbildungslandschaft in den letzten 30 Jahren verändert hat. Kamen noch 1992 1,3 Bewerber auf eine Ausbildungsstelle, waren es 2006 mit 2,4 fast doppelt so viele. 2011 gab es dann erstmals statistisch weniger als einen Bewerber pro Ausbildungsstelle. Seit diesem Zeitpunkt liegt die Zahl der neu abgeschlossenen Lehrverträge kontinuierlich unter der der gemeldeten Stellen. Ein Blick auf die nächste Kohorte, die der jungen Leute, die 2020 ihre Ausbildung begonnen haben, dürfte weitere spannende Ergebnisse bringen.

Von Annett Kschieschan