Bewerben wie ein Guerilla?

Wer mag, kann sich heute auch mit einem eigenen Bewerbungsvideo vorstellen. Doch Experten warnen: Das Format liegt nicht jedem.

Freie Jobs gibt es derzeit jede Menge. Aber wie findet man die Traumstelle? Die Digitalisierung bringt neue Bewerbungsformate mit sich. Die passen aber nicht zu jedem Interessenten – und zu jeder Firma.

Selten war die Auswahl so groß. Fast alle Branchen suchen gegenwärtig Mitarbeiter. Beste Chancen also für Berufsanfänger, Wechselwillige sowie Wieder- und Quereinsteiger. Ohne Bewerbung geht es in meisten Fällen trotzdem nicht. Und hier haben sich die Gepflogenheiten in den vergangenen Jahren durchaus verändert. Das liegt zum einen an der starken Hinwendung zum Digitalen, die durch die Pandemie beschleunigt wurde, zum anderen aber auch an veränderten Ansprüchen auf beiden Seiten. So finden sich vor allem jüngere Arbeitnehmer in klassischen Bewerbungsregularien oft nicht wirklich repräsentiert. Wenn man nahezu alles mit wenigen Klicks online recherchieren, verschicken oder ordern kann, warum soll die Bewerbung dann ausgedruckt und per Post versendet werden? Auch in den Personalabteilungen ist man es heute vielfach leid, Papier stapelweise durchschauen zu müssen. Was liegt da näher, als den Weg zum neuen Job beziehungsweise zum neuen Teammitglied online anzugehen?

Kreativ auffallen

Die Online-Bewerbung ist heute moderner Standard. Vor allem größere Unternehmen haben eigene Karriere-Portale, auf denen nicht nur alle offenen Stellen ausgeschrieben sind, sondern auf denen auch der Bewerbungsprozess online gestartet werden kann. Das ist praktisch, kann aber trotzdem von Nachteil sein. Nämlich dann, wenn der Bewerber oder die Bewerberin eigentlich nicht so richtig zur ausgeschriebenen Position passt, es aber dennoch versuchen möchte. Meistens filtert nämlich ein Algorithmus heraus, welche Interessenten am besten zur freien Stelle passen. Dieser Prozess wird CV-Parsing genannt. Stimmen mehrere Kriterien nicht überein, wird der Kandidat – zumindest erst einmal – aussortiert. Personalverantwortliche empfehlen daher vor allem Quereinsteigern, lieber eine Initiativbewerbung abzuschicken als sich online auf eine vermeintlich nicht ganz passende Stelle zu bewerben.

Vor allem in kreativen Branchen – also zum Beispiel in Werbeagenturen, Medienunternehmen, Kunst- und Kultureinrichtungen – haben auch ungewöhnliche Bewerbungen gute Chancen. Wenn also der angehende Grafiker statt des klassischen Lebenslaufes samt Anschreiben und Zeugniskopie eine selbst gestaltete Referenz vorzeigt, kann genau das das entscheidende Kriterium sein, um am Ende nachhaltig auf sich aufmerksam zu machen. Ein Blick auf die Internetseite und die Social-Media-Kanäle des Wunschbetriebes zeigt meist schnell, ob kreative Bewerbungen eine gute Chance haben könnten – oder ob der klassische Weg nicht doch der erfolgversprechendere ist.

Vorsicht bei der Video-Bewerbung

Das Gleiche gilt für sogenannte Guerilla-Bewerbungen. Sie sind wohl die riskanteste Form der Jobsuche. Denn nicht jeder Personaler freut sich über selbst gebastelte Bewerbungen oder Kandidaten, die die erste Vorstellung direkt mit einem Flashmob auf dem Unternehmensparkplatz verbinden. Sicher ist immerhin: Auffallen kann man so auf jeden Fall. Ob das am Ende tatsächlich zum Traumjob führt, ist fraglich.

Etwas bodenständiger kommt die Bewerbung per Flyer daher. Alle Informationen kurz und prägnant auf den Punkt gebracht – und das möglichst in ansprechender Optik: So werben Flyer für Badpartys, Azubi-Messen oder Trödelmärkte. Warum also nicht auch für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Der Bewerbungsflyer eignet sich vor allem für Menschen, die viel herumkommen und oft neue Leute treffen, denen sie die Werbung in eigener Sache schnell zustecken können. Am besten klappt das natürlich auf Karrieremessen oder großen Jobbörsen in Präsenz. Der optimale Bewerbungsflyer ist maximal A 4 groß und lässt sich falten, so dass der Eindruck eines Leporellos entsteht.

Wer auch ohne Präsenz direkt mit seiner Persönlichkeit überzeugen will, kann auch ein Bewerbungsvideo drehen. In Zeiten von Instagram, TikTok und Co. sind es viele Menschen gewöhnt, direkt in eine Kamera zu sprechen und das Ergebnis mit anderen zu teilen. Experten raten dennoch zur Vorsicht, wenn es um Bewerbungen per Bewegtbild geht. Als Laie merkt man meistens nicht, wie oft man die eigenen Sätze durch das beliebte „Ähm“ unterbricht, wie häufig man sich durch die Haare fährt oder an der Nase kratzt. Was im direkten Gespräch meistens nicht so auffällt, wirkt am Bildschirm besonders stark. Das Gleiche gilt für Dialekte oder andere sprachliche Eigenheiten. Wer unsicher ist, sollte sich kurz daran erinnern, dass die meisten Menschen, die auf Videos super professionell, freundlich und authentisch wirken, eine entsprechende Ausbildung absolviert haben.

Fazit

Welche die beste Bewerbungsform ist, hängt vom favorisierten Unternehmen, vor allem aber von der eigenen Persönlichkeit ab. Sich schon zu Beginn zu verstellen, um aufzufallen, führt oft spätestens nach den ersten Monaten im neuen Job zu Problemen. Wer spontan und extrovertiert ist und nebenbei auch weiß, dass ihn eine Absage nicht allzu sehr deprimieren würde, kann sein Glück heute auch mit Kreativ- oder gar Guerilla-Bewerbungen versuchen. Bewerbungsvideos bergen Risiken, können aber auch zum Erfolg führen. Wer lieber schreibt, sollte das auch beim Bewerben tun – ob ganz klassisch per Post oder – moderner – über Online-Rekrutierungsformulare. Quereinsteiger liegen am ehesten mit einer Initiativbewerbung richtig – und können in Zeiten des Fachkräftemangels heute besser überzeugen als je.

Von Annett Kschieschan