Mehr duale Lehrverträge – und trotzdem Luft nach oben

Wie weiter nach der Schule? Das Angebot an Ausbildungsplätzen ist so groß wie selten zuvor, doch nicht immer finden Nachwuchs und Lehrbetrieb zusammen. Foto: Adobestock

Die Bilanz es Ausbildungsjahres 2023 zeigt viele positive Tendenzen, aber auch ein großes Problem.

Eine Ausbildung im Handwerk können sich viele junge Leute vorstellen, auch Jobs im Handel oder in der Industrie sind für den Nachwuchs durchaus attraktiv. Das bestätigt ein Blick in die Ausbildungsbilanz des gerade zu Ende gegangenen Jahres. So wurden einer Analyse des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zufolge 2023 bundesweit rund 14.000 duale Ausbildungsverträge mehr abgeschlossen als im Vorjahr. Das Plus von drei Prozent sei ermutigend. Dennoch ist beim Thema Ausbildung noch deutlich Luft nach oben. Nach wie vor liegt die Zahl der neu geschlossenen Lehrverhältnisse deutlich unter der der Jahre vor der Pandemie.

Der Standortvorteil wackelt

Das größte Problem nicht nur nach Ansicht der BIBB-Experten bleibt die Diskrepanz zwischen einem großen Angebot an Lehrstellen und der wachsenden Zahl der Jugendlichen, die gar keine Berufsausbildung beginnen. „Sowohl der Anteil der unbesetzten Ausbildungsstellen als auch der Anteil der erfolglos suchenden Ausbildungsplatznachfrager ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Bundesweit blieben 2023 rund 73.400 Ausbildungsstellen unbesetzt“, konstatiert das Bundesinstitut.
Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig hatte die duale Berufsausbildung erst kürzlich als deutlichen Standortvorteil sowohl für Sachsen als auch für Deutschland insgesamt bezeichnet. „Leider beobachten wir aber, dass die Bereitschaft, eine duale Berufsausbildung aufzunehmen, eher rückläufig ist. Viele Lehrstellen werden nicht besetzt. Gleichzeitig bleiben immer noch zu viele Jugendliche ohne eine Lehrstelle oder münden in das sogenannte Übergangssystem ein“, so der Minister. Diese sogenannten „Passungsprobleme“ sieht auch BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser als Kernproblem an. Gefragt seien nun vor allem „eine die Jugendlichen erreichende Berufsorientierung sowie verbesserte Maßnahmen zur Unterstützung der Mobilität von Auszubildenden“. „Auch Klein- und Kleinstbetriebe brauchen mehr Unterstützung, wenn es um die jugendgerechte Akquise von Schulabgängerinnen und Schulabgängern geht, vor allem bei der digitalen Kommunikation in den sozialen Netzwerken“, so Esser weiter.

Jugendberufsagenturen sollen helfen

Schon jetzt setzen auch in Sachsen viele Unternehmen, aber auch die Kammern auf moderne Rekrutierungswege, beraten per WhatsApp, laden zu virtuellen Betriebsrundgängen ein und werben mit Kampagnen auf TikTok oder Instagram. Im Schnitt nutzen sie fünf bis sechs unterschiedliche Wege, um junge Leute auf ihre Angebote aufmerksam zu machen, ergab die BIBB-Analyse. Das führt zwar oft zu einer steigenden Zahl an Interessensbekundungen, die münden aber häufig am Ende trotzdem nicht in einen Lehrvertrag. Die Nachwuchssuche – sie wird auch weiterhin eine Herausforderung bleiben. In Sachsen will man mit Unterstützungsangeboten nach der Landesrichtlinie Berufliche Bildung und der ESF-Plus-Richtlinie Berufliche Bildung gegensteuern. „Wir müssen mehr junge Leute überzeugen, dass ein Job im Handwerk oder im verarbeitenden Gewerbe gute Bezahlung und echte Karrierechancen bedeutet und sie dadurch auch helfen, die Wirtschaft klimaneutral umzubauen“, so Martin Dulig. Seit 2018 unterstützt das Wirtschaftsministerium des Freistaates auch deshalb die Etablierung und Weiterentwicklung der Jugendberufsagenturen. Sie sollen Jugendlichen den Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung erleichtern. „Jeder Jugendliche zählt. Wir wollen ganz besonders junge Menschen, aber auch deren Eltern oder Lehrerinnen und Lehrer motivieren, die Angebote ihrer Jugendberufsagentur vor Ort zu nutzen. Die Unternehmen in Sachsen wollen ausbilden und bilden aus, denn sie brauchen Nachwuchs“, so Dulig weiter. Chancen gäbe es reichlich, sie müssten nun auch genutzt werden.