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Auch jenseits der 60 noch voll motiviert?

Viele Ältere gehen motiviert an neue Aufgaben im Job und stehen auch der Digitalisierung längst nicht so kritisch gegenüber wie oft vermutet. Foto: Adobestock

Manche Personalabteilungen sortieren die Bewerbungen Älterer aus, andere setzen auf die Erfahrung der Silver Worker. Die haben weniger Angst vor der Digitalisierung als oft vermutet.

Von Annett Kschieschan

Sind sie besonders gefragt oder werden ihre Bewerbungen besonders schnell aussortiert? Wenn es um ältere Arbeitnehmer geht, sind die Meinungen geteilt – sowohl bei Arbeitsmarktforschern als auch in Personalabteilungen. „Sind Teams zu homogen, auch vom Alter her, fehlt es oft an kreativen Ideen. Deswegen gebe ich bei Einstellungen in eher jüngeren Abteilungen schon mal einem älteren Bewerber den Vorzug“, so der Personalchef einer Leipziger Werbeagentur. Allein ist er damit nicht. Die sogenannten Silver Worker, also Arbeitskräfte jenseits des 60. Lebensjahres, stehen schon seit einer Weile im Fokus, wenn es um das Thema Fachkräftesicherung geht. Die Bertelsmann Stiftung schätzt das ungenutzte Potential der Älteren auf rund 1,36 Millionen Vollzeitkräfte. Einbezogen wurden dabei Männer und Frauen zwischen 55 und 70 Jahren.

Neue Berufsbilder bieten neue Chancen

Der demografische Wandel, so die These, lässt es langfristig nicht zu, auf Silver Worker zu verzichten. Daran ändert offenbar auch der Einzug der Künstlichen Intelligenz (KI) in immer mehr Arbeitsbereiche nichts. Zwar wird die zunehmende Automatisierung dafür sorgen, dass Jobs wegfallen – dafür sollen aber neue Berufsbilder entstehen. Ob diese dann vor allem ältere Arbeitnehmer ansprechen, ist allerdings offen. Oft fürchten gerade die Mitarbeiter, die schon seit Jahrzehnten im Betrieb sind, mit den neuen Entwicklungen nicht Schritt halten zu können. Das ist besonders dort der Fall, wo es keine Betriebsräte gibt. Das zeigt unter anderem eine Studie des ZEW – Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. „Betriebsräte spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, negative Folgen der Automatisierung abzumildern. Davon profitieren besonders ältere Beschäftigte, die es nach einer Kündigung schwer haben, einen neuen Job zu finden. Betriebsräte verbessern die Weiterbeschäftigungschancen für die Belegschaft vor allem dann, wenn es viele Arbeitssuchende gibt“, so Oliver Schlenker, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen“. Er gibt auch zu bedenken, dass die Automatisierung zu niedrigeren Löhnen in den Berufen führen kann, in denen die KI besonders viele Aufgaben übernehmen könnte.

Die Mischung macht‘s

Haben auch hier die Älteren wieder besonders schlechte Karten? Nicht unbedingt. Denn eine Untersuchung für die „lidA – leben in der Arbeit“-Studie des Lehrstuhls für Arbeitswissenschaft der Bergischen Universität Wuppertal zeigt, dass viele ältere Beschäftigte durchaus offen für neue Arbeitsmodelle und auch den Umgang mit KI-unterstützten Prozessen sind. Die Forscher haben über mehrere Jahre hinweg untersucht, wie gut sich Menschen für die Änderungen in der Arbeitswelt gewappnet fühlen. Dafür wurden mehrere Kohorten älterer Beschäftigter, die zwischen 1959 und 1965 geboren wurden, über Jahre wiederholt zur Arbeitsintensivierung infolge von digitalen Technologien am eigenen Arbeitsplatz befragt. Bereits 2018 gab der überwiegende Teil der älteren Beschäftigter an, sich bei der Nutzung digitaler Arbeitsmittel „eher sicher“ und „eher zufrieden“ zu fühlen.

Wer digitale Arbeitsmittel häufig nutzte, litt nicht häufiger unter psychischen Belastungen als Menschen, die nur selten mit den Folgen der Digitalisierung zu tun hatten. Die Arbeitsfähigkeit lag demnach sogar höher. Das Gleiche galt für die Motivation, auch weiterhin erwerbstätig zu bleiben. Bei der nächsten Befragung 2022 war der Anteil weiter, wenn auch nur leicht, gestiegen. Die deutliche Mehrheit der Befragten erlebte die Veränderung der Arbeitswelt also über einen längeren Zeitraum als wenig oder gar nicht einschränkend. Im Gegenteil: Die Beschäftigung mit neuen Arbeitsweisen erhöhte oft sogar die Motivation, beruflich weiter am Ball zu bleiben.  Und das unabhängig vom beruflichen Status der Befragten.

Fazit: Die Bereitschaft vieler Älterer, sich neue, digitale Arbeitsweisen anzueignen, ist höher als oft vermutet. Das kann eine Chance im Kampf gegen den Fachkräftemangel sein, gelingt aber nur, wenn Unternehmen auch bereit sind, Bewerbungen von Menschen jenseits der 55 ernst zu nehmen. Diese sind im Gegenzug oft sehr loyal, während jüngere Mitarbeiter vielfach einen Job nur als eine von vielen Stationen auf ihrem beruflichen Weg sehen. Experten plädieren ohnehin für vielfältige Teams – auch mit Blick auf die Altersstruktur.

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