Was der Gedankenstrich über Bewerbungen verrät
Mensch oder Maschine? Wer die Bewerbung geschrieben hat, ist für viele Personalverantwortliche durchaus interessant. Foto: Adobestock
Immer mehr Menschen nutzen die KI, um sich auf offene Stellen zu bewerben. Das kann ein Problem sein – bringt manchmal aber auch Chancen.
Von Annett Kschieschan
Der Gedankenstrich macht’s! Eigentlich als probates Stilmittel gedacht, um Aussagen zu ergänzen beziehungsweise zu betonen, gilt er inzwischen als stärkstes Indiz für KI-generierte Texte. Und die spielen zunehmend eine Rolle bei der Besetzung von Stellen. Immer mehr Menschen lassen ihre Bewerbung von ChatGPT oder einem anderen KI-Tool schreiben. Und auch wenn Unternehmen selbst auch zunehmend die Texter-Fertigkeiten der Künstlichen Intelligenz nutzen – laut der internationalen Personalberatung Hays setzen bereits rund 40 Prozent der Recruiting-Verantwortlichen auf entsprechende Werkzeuge – sieht man den Trend hier kritisch. Die Befürchtung: man erhält standardisierte, seelenlose Texte, die im Grunde nichts über den Interessenten verraten und darüber hinaus zeigen, dass er sich selbst gar keine Mühe mit der Bewerbung gemacht hat.
Die KI lernt von sich selber
Und hier kommt der Gedankenstrich ins Spiel. An ihm lasse sich am schnellsten erkennen, ob jemand die KI als Ghostwriter eingesetzt hat. Und tatsächlich: ChatGPT verwendet den langen Querstrich auffallend häufig. Laut Mimikama, einem Verein zur Aufklärung über Internetbetrug, Fake News und Desinformation, könne man durchaus sagen: „Je mehr Gedankenstriche, desto höher die KI-Wahrscheinlichkeit“. Das Ganze sei inzwischen als „Habsburg KI-Effekt“ bekannt. Der Begriff nimmt Anleihen bei alten Adelsgeschlechtern, wie eben den Habsburgern, und ihrer Tendenz, innerhalb der Familie zu heiraten. Bezogen auf die ChatGPT heißt das: Die KI lernt von bereits veröffentlichten Texten, zunehmend also ihren eigenen. Im Ergebnis wächst die Zahl der Gedankenstrich-Texte.
Aber ist das überhaupt ein Problem? Bei dem Beispiel der Bewerbungen bisweilen schon. Manche Unternehmen sortieren KI-Texte erst einmal aus. Andere sehen das Ganze lockerer – konfrontieren Bewerber im Gespräch dann mit ihrem Verdacht und prüfen die Reaktion darauf. Kann der Interessent gut erklären, warum er die KI eingesetzt hat – oder schlüssig darlegen, dass er es nicht getan hat – erhöht das die Chancen auf ein Vertragsangebot sogar.
Laut einer Studie des Jobportals Stepstone nutzen schon sechs von zehn Arbeitssuchenden die KI für Bewerbungen. Dabei geht es nicht mehr nur um Texte. Dank der Künstlichen Intelligenz lassen sich auch Vorstellungsgespräche simulieren und effektiv Informationen zum Wunschunternehmen sammeln.
Persönlich überzeugen
Am Ende aber, da sind sich Arbeitsmarktexperten einig, müssen „Mensch und Technik“ sinnvoll zusammenfinden. Für den Bewerbungsprozess bringe das heute laut Hays eine „neue zweistufige Herausforderung“. „Die erste Hürde ist maschinell: Die Bewerbung muss die ‚KI-Firewall‘ des Unternehmens passieren. Dafür muss sie formal perfekt und für die Software strukturell lesbar sein. Erst dann folgt die zweite, menschliche Hürde: Die Bewerbung landet auf dem Schreibtisch einer HR-Fachkraft. Diese sucht nach Persönlichkeit, Authentizität, nachvollziehbaren Erfolgen und der individuellen Motivation des Kandidaten“, so die Einschätzung der Experten. Letztlich müsse der Bewerber überzeugen – ganz altmodisch mit Kompetenz, Kommunikationsstärke und dem gewissen Etwas, das sich je nach Branche und Firma unterscheidet und das sich zumindest bisher nicht künstlich generieren lässt.